Teil 1: Pilze sind wundersame Geschöpfe, weder Tier noch Pflanze

Aug 30, 2023 | Wissenschaft

Warum Pilze einen beeindruckenden Gesundheitswert haben, womit sie belastet sein können und warum manche Pilzvergiftungen nur nach dem Genuss von Alkohol auftreten, darüber gab es bei der UGB-Tagung 2023 in Gießen einen interessanten Vortrag zu hören.

Pilze sind wundersame Geschöpfe. Sie sind weder Tier noch Pflanze, sondern irgendwo dazwischen. Bis zum Ende der sechziger Jahre ordnete man Pilze noch den Pflanzen zu, doch Analysen bewiesen, dass sie eher mit den Tieren verwandt sind. Mittlerweile gesteht man ihnen in der Biologie ein eigenes Reich zu (Fungi).

Betrachtet man die Nährstoffbeschaffung von Pilzen, fallen die Unterschiede zum Pflanzen- und Tierreich auf. Pflanzen ernähren sich mithilfe von Photosynthese. Tiere nehmen ihre Nahrung extern auf und verdauen sie intern. Pilze hingegen beziehen ihre Nahrung aus toten oder lebenden Organismen. Mithilfe ihrer Verdauungsenzyme zersetzen sie organisches Material und nehmen es über ihr Myzel auf.

Solch ein Myzel ist eine Art unterirdisches Wurzelgeflecht. Es kann enorme Ausmaße annehmen. Im US-Bundesstaat Oregon wächst ein essbarer Hallimasch, dessen Myzel so groß ist wie 1200 Fußballfelder. Mit seinen 400 Tonnen ist er damit der größte Organismus der Erde. Apropos: Was wir gemeinhin als Pilz bezeichnen, ist lediglich der Fruchtkörper, den der Pilz für die Fortpflanzung benötigt. Der eigentliche Pilz befindet sich immer unter der Erde.

China steht an der Weltspitze

Derzeit sind über 120000 Pilzarten wissenschaftlich beschrieben und schätzungsweise über drei Millionen Arten weiterhin unbekannt. Nur sehr wenige Speisepilze lassen sich überhaupt kultivieren, weil die meisten Arten auf eine Symbiose mit Baumwurzeln angewiesen sind, wie z.B. Pfifferlinge, Steinpilze oder Trüffeln. Diese Wildpilze wachsen nur im Wald. Zu den weltweit am häufigsten kultivierten Speisepilzen, den „big five“, zählen

  • Shiitake,
  • Austernpilz,
  • Judasohr,
  • Champignon und der
  • gemeine Samtfußrübling.

Diese Arten machen einen Anteil von 85 Prozent auf dem Markt aus, wobei China mit Abstand der größte Speisepilzproduzent ist. Der deutsche jährliche Verbrauch liegt bei 2 Kilogramm Pilzen pro Kopf, China kommt auf 20 Kilogramm, und manche Literaturquellen gehen sogar von 60 Kilogramm aus.

Nährwerte

Pilze bestehen neben Wasser hauptsächlich aus Kohlenhydraten, 5 bis 7 g pro 100 g, abhängig von Sorte und Anbau. Vertreten sind auch unverdauliche Kohlenhydrate wie Beta-Glucan und Chitin. Pilzliches Beta-Glucan wirkt anders im menschlichen Organismus als pflanzliches. Es hat einen positiven Einfluss auf die Immunfunktion. Insgesamt ist der Ballaststoffgehalt vergleichbar mit dem von Gemüse. Der Proteingehalt ist niedrig, er liegt zwischen 2 und 4 g. Pilze sind darüber hinaus fettarm mit bis zu 0,5 g Fett und insgesamt energiearm (25-35 kcal pro 100 g).

Vitamin D

Bei den Vitaminen wird’s dann richtig interessant: Pilze sind wie wir Menschen in der Lage Vitamin D zu bilden. Unter UV-Licht wird aus Ergosterol, einer Vorstufe von Vitamin D, Ergocalciferol. Eine 100-Gramm-Portion UVB-bestrahlte Pilze kommt dabei laut Stiftung Warentest auf rund 10 µg Vitamin D. Das Spannende ist, dass auch abgeerntete Pilze in der Lage sind, weiterhin Vitamin D zu produzieren. „Nur 15 Minuten in der Sonne ausgelegt und schon haben Pilze einen Vitamin-D-Gehalt, der den Tagesbedarf eines Erwachsenen deckt“, bestätigt Sarafanov, also 20 µg Vitamin D pro 100 g.

Antioxidantien und bioaktive Substanzen

Und wie steht es um den Gehalt von Antioxidantien? Hier lohnt ein genauer Blick auf Ergothionein, eine schwefelhaltige Aminosäure, die ausschließlich von Pilzen und einigen Bakterien selbst produziert wird. Das hitzestabile und wasserlösliche Antioxidans findet sich in unserem Körper vor allem dort, wo viele freie Radikale produziert werden und das Gewebe sensibel ist: in der Augenlinse, in der Leber, im Knochenmark und in der Samenflüssigkeit. Ebenso im Zellkern, dort dient Ergothionein als DNA-Schutz. Außerdem reichert es sich in den Mitochondrien an, und das ist ziemlich speziell, denn nicht viele Antioxidantien gelangen dorthin, weil schlichtweg die passenden Transportsysteme fehlen. Heute weiß die Wissenschaft, dass wir über einige Transportsysteme verfügen, die spezifisch sind für Ergothionein.

Der Ergothionein-Gehalt in Pilzen ist 40-mal höher als in anderen Lebensmitteln, wie bspw. in Innereien. Pilze sind damit die einzig relevante Nahrungsquelle für das Antioxidans. Neben antioxidativ wirkenden Substanzen enthalten Pilze auch immunmodulierende Proteine, sog. FIPS (Fungal immunmodulatory proteins), mit anti-allergenen, anti-entzündlichen und anti-kanzerogenen Eigenschaften.

Fortsetzung

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